Das fasziale Netz: eine ganzheitliche Sichtweise

Der Begriff „Faszie“ beschreibt im Allgemeinen faserreiches Bindegewebe, das den gesamten Körper als verbindendes Netzwerk durchzieht. Dieses Netzwerk ist für viele Funktionen des Organismus zuständig. Im Besonderen sind Faszien das Gewebe der „Form“, da sie alle Strukturen einbetten, umhüllen, halten und in Räumen organisieren.

Das fasziale Netzwerk verbindet alle Einzelteile des Organismus zu einem funktionellen Ganzen und organisiert das Zusammenspiel des Bewegungsapparates mit den inneren Organen und dem Nervensystem. Somit sind Faszien das „Gewebe der Integration“, welches zusätzlich noch einen starken Bezug zum Flüssigkeitshausalt des Körpers hat. Blutzirkulation, Lymphdynamik und die Bewegung der interstitiellen („frei“ zwischen den Zellen fließenden) Flüssigkeit stehen in engem Zusammenhang zum Bindegewebe und zu den Faszien. Durch diese ganzkörperlichen Zusammenhänge betrachten manche Autoren das fasziale Netzwerk als körperweites nicht-neurales Kommunikationssystem (Helene Langevin: Connective tissue as a bodywide signaling network).

Das somatische Fasziensystem

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Somatische Faszien stehen im Bezug zum menschlichen Bewegungsapparat. Sie umhüllen jeden einzelnen Muskel des Körpers, ziehen in den Muskel hinein, wo sie Faserbündel bilden und sogar jede einzelne Muskelzelle als Endomysium umhüllen. Sie ermöglichen die Gleitbewegungen der Muskelfasern und übertragen als Sehnen die Kräfte.

Somatische Faszien bilden auch die Faszien des passiven Bewegungsapparates, hierzu gehören das Periost (die Knochenhaut), Gelenkkapseln, Bänder (Ligamenta) und Sehnenscheiden.
Somatische Faszien stabilisieren, geben dem Bewegungsapparat die Form, übertragen Kräfte und sind gleichzeitig für die Bewegungsführung zuständig. Darüber hinaus haben sie eine hohe Dichte an Rezeptoren, die für die Wahrnehmung der Gelenkstellung und der Bewegung zuständig sind (Propriozeption).
Die somatische Faszientherapie beschäftigt sich mit dem Erkennen von somatisch bedingten Störungen und der Wiederherstellung der gesunden, physiologischen Funktion.

Das viszerale Fasziensystem

Viszerale Faszien umhüllen alle inneren Organe. Sie sind zuständig für die räumliche Ordnung der Viszera (=Organe), die Positionierung, die Einbettung in Körperhöhlen und die Verbindungen zum Bewegungsapparat. Insbesondere das Zwerchfell als wichtigster Atemmuskel hat über Faszien intensive Beziehungen zu zahlreichen Organen, wie etwa zur Leber, zu den Nieren oder zum Magen. Durch fasziale Verbindungen sind z.B. die Nieren am Zwerchfell „befestigt“, wodurch sie jeder Atembewegung folgen. Diese Bewegung unterstützt die Filtration der Nieren ganz wesentlich. Zusätzlich erfolgt bei allen Organen ein Großteil der viszeralen Wahrnehmung durch die Innervation der Faszien.

Die viszerale Faszientherapie beschäftigt sich mit dem Erkennen von Störungen, die im viszeralen Fasziensystem ihren Ursprung haben. Ganz besondere Bedeutung hat hierbei die Phänomenologie der Faszien, also die Art und Weise, in der sich fasziale Änderungen zeigen und wie diese empfunden werden. Die viszerale Faszientherapie hat die Intention, die fasziale Physiologie im viszeralen Raum wiederherzustellen.
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Das neurogene Fasziensystem

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Neurogene Faszien sind die Faszien des Nervensystems. Hierzu zählen die zentralen Faszien, wie Dura mater und Pia mater (Hirnhäute), und auch die peripheren Faszien, die alle Nerven begleiten und umhüllen.

Das neurogene Fasziensystem hat wichtige Schutzfunktionen, insbesondere Schutz vor mechanischen Belastungen, wie erhöhter Druck oder Zug. Desweiteren ermöglichen die neurogenen Faszien das Gleiten und die Bewegung des Nervensystems zwischen allen Organen und zwischen allen Muskeln. Somit ist das neurogene Fasziensystem ein tragendes Element des zentralen und peripheren Nervensystems. Dysfunktionen der Faszien können Einschränkungen des Nervensystem nach sich ziehen und zu zahlreichen Symptomen führen, unter anderem auch erhöhte Sensibilität und Schmerzempfindung.

Die neurogene Faszientherapie beschäftigt sich mit dem Erkennen von Störungen, die in faszialen Komponenten des Nervensystems ihren Ursprung haben. Ziel ist es, die Dynamik wiederherzustellen und spannungsfreie Räume für das Nervensystem zu schaffen.

Die Integration des Vegetativums

Ein besonderer Aspekt der Integrativen Faszientherapie ist es, das vegetative Nervensystem in die Behandlung und Therapie mit einzubeziehen. Das Vegetativum steht mit der Funktion aller inneren Organe in Beziehung. Im Besonderen regelt es ganze Körpersysteme, wie zum Beispiel das Hormonsystem, das Immunsystem, das Verdauungssystem oder das uro-genitale System.

Neue Fachbereiche der Wissenschaft, wie etwa die Psychoneuroimmunologie lehren uns, dass Psyche, Stimmungslagen und das Selbstbildnis in engem Zusammenhang mit Organfunktionen stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Einen besonders wertvollen und therapeutisch relevanten Ansatz bringt die Polyvagal-Theorie nach Stephen Porges. Diese zeigt in eindrücklicher Weise, wie das Empfinden des Menschen (das „eigene Selbst“ in der Umwelt) für die Regulation viszeraler Funktionen entscheidend ist.

Die Integrative Faszientherapie bezieht das Vegetative Nervensystem in die Therapie mit ein. Über angepasste manualtherapeutische Anwendungen wird gezielt auf des sympathische und parasympathische System Einfluss genommen, mit der Intention, einen Ausgleich im psycho-vegetativen System zu erreichen.

Phänomenologie und Körpersprache – der Schlüssel zum Erfolg

Zahlreiche traditionelle Medizinsysteme beschäftigen sich mit der Körpersprache und der Phänomenologie. Hierzu gehören die klassische und traditionelle chinesische Medizin, die ayurvedische Medizin und auch die Homöopathie. Gemeinsames Prinzip ist es, Erscheinungsformen und Körpersprache als Grundlage der Therapie einzusetzen. Im Besonderen ist auch der körperliche und der verbale Ausdruck von Bedeutung.

Diesem Zugang bedient sich auch die Fasziopathie. Relevant sind die Art und Weise, in der sich Symptome zeigen, die Art des Schmerzes und die Besonderheit der subjektiven und individuellen Wahrnehmung. Körpersprache, Haltung, Bewegungsmuster, verbale Beschreibungen, zyklische Phänomene und vieles mehr fließen in die Anamnese mit ein. Das erklärte Therapieziel ist es, den Organismus individuell angepasst zu unterstützen, sodass Eigenregulation stattfinden kann und die Genesung unterstützt wird.